25. im Jahreskreis (C) – 18. September 2022

Predigt in der Alt-Katholischen Gemeinde Bottrop

Amos 8, 4-7
1 Timotheusbrief 2, 1-8
Lukas 16, 1-14

Plus ça change, plus c’est la même chose, sagen die Französen:  Da kann sich noch so viel ändern, es bleibt doch immer das Gleiche. So ging es mir auch, als ich die heutigen Lesungen las. Amos klagt darüber, dass die Armen und Schwachen vernachlässigt und verfolgt und ausgebeutet und unterdrückt werden.  Der Autor vom 1. Timotheusbrief bittet für die Herrscher und die Mächtigen, damit wir in Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können.  Im Lukasevangelium erinnert uns Jesus darum, dass Ehrlichkeit sowohl in den kleinen als auch bei den großen Dingen wichtig ist, und warnt davor, Gott und Geld – Mammon – gleichzeitig dienen zu wollen.  Das klingt alles so aktuell, nicht wahr?  Da kann sich noch so viel ändern, es bleibt doch immer das Gleiche.

Manchmal finde ich diese Feststellung sehr frustrierend. Sollte die Welt nicht besser werden?  Das ist eine Frage, die viele Menschen bewegt und beschäftigt, auch in den christlichen Kirchen. Anfang September war ich in Karlsruhe bei der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen. Das Hauptthema lautete: „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt.“  Aber die Welt ist sich so uneinig, so unversöhnt.  Wie wird sie von der Liebe Christi überhaupt bewegt?

Der Vorbereitungstext auf der Vollversammlung sprach gerade diese Thematik an.[1] Angesichts der vielen Herausforderungen, vor denen wir stehen – Pandemie, Klimawandel, Ungleichheit, der digitalen Revolution, Hoffnungslosigkeit – ist es umso wichtiger, das Kirchen zusammenwirken:

Die Kirchen müssen jetzt gemeinsam … zum Wohle der Welt eine öffentliche Stimme finden, um Hoffnung machen zu können, die wahrhaftiger ist als der hohle Optimismus jeglichen blassen politischen Diskurses; eine Hoffnung, die vielleicht eine bessere Welt bauen kann als die, die so sehr geprägt ist von Materialismus, Individualismus und Konsumdenken, eine Welt, in der die zur Verfügung stehenden Ressourcen geteilt und Ungerechtigkeiten überwunden werden und wir alle uns allen eine neue Würde verleihen.[2]

In der Erklärung zur Einheit der Vollversammlung heißt es, dass die Kirchen:

Zeugnis ab[legen] in einer Welt, die Gottes wunderbare Schöpfung ist, gleichzeitig aber durch ökologische Krisen, Gewalt, Pandemien, systemische Armut, Rassismus, geschlechtsspezifische Gewalt, Menschenrechtsverletzungen und zahlreiches weiteres Leid zerbrochen ist.[3]      

Zusammen mit Gott müssen und sollen die Kirchen über die Zustände der Welt trauern, sie müssen aber auch anerkennen, dass die Liebe Gottes keine innerkirchliche Gelegenheit ist, sondern für die ganze Welt gemeint ist. Die Kirchen dürfen auch niemals vergessen, dass die Liebe sich in der Privat­sphäre als Zärtlichkeit ausdrückt, das öffentliche Gesicht der Liebe ist aber Gerechtigkeit.[4]

Wichtig ist allerdings, anzuerkennen, dass die Kirchen in diesen Fragen nicht unschuldig sind, sondern auch Buße ablegen müssen. Denn die Kirchen haben auch zur Ungerechtigkeit beigetragen.  Vor der Vollversammlung gab es Vorbereitungstagungen, etwa mit Menschen aus indigenen Völkern, die zum Teil verheerende Erfahrungen durch die Kirchen und durch Christen machen mussten, wie etwa die Ausrottung von Kulturen und ganzen Völkern, die Trennung von Kindern von ihren Familien, und die Vereinnahmung von Ländern. Kirchen – wie Menschen – sind nicht unschuldig, sind trotzdem dazu berufen, die Liebe Gottes in die Welt zu bringen, und dafür Zeugnis abzulegen. Jede Kirche, jeder und jede von uns!

Also stehen die Mahnungen und Warnungen von Amos und Lukas auf der Tagesordnung für jede Kirche und für jeden Christ, jede Christin.  Dass gerade in dieser Woche der Trauer um den Tod der Königin Elizabeth und der ersten Feierlichkeiten um den Thronbesteigung Karls III. die Lesung aus dem 1. Timotheusbrief in der Lesereihe kommt, finde ich ziemlich bewegend. Die liturgische Tradition der Church of England legt fest, dass namentlich für die Königin bzw. den König gebetet wird, gerade wie im 1. Timotheusbrief steht: betet für die Herrscher und die Mächtigen, damit wir in Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können. Als ich letzten Sonntag in eine Englische Dorfkirche zur Eucharistie ging, beteten wir nicht mehr für Queen Elizabeth, sondern für King Charles.

Es geht aber nicht darum, einen Titel oder einen Status zu verehren, sondern den Menschen wertzuschätzen. Den Tausenden von Menschen, die stundenlang gewartet haben – und noch warten – , um den Sarg der Königin zu besichtigen, von der Queen Abschied zu nehmen, war sie wichtig.  Sie sind wohl von der Überzeugung bewegt, dass es wichtig ist, wie Menschen sich verhalten. Der Erzbischof von Wales sprach von ihrem Leben als durch „Gnade und Weisheit“ gekennzeichnet, dazu kam „Pflicht, Ehre, Hingabe und Glaube,“ sagte der Moderator der Church of Scotland. Auch wenn das Verhalten des britischen Königshauses nicht immer unkompliziert ist, nicht immer von Gerechtigkeit geprägt wurde, haben diese Eigenschaften die Beziehung zur Königin geprägt.

Wir bewegen uns nicht wie die Königin auf der Weltbühne, aber auch wir können versuchen, ein Leben zu führen, das von Gnade, und Glaube gekennzeichnet ist, wir können versuchen, die Liebe Gottes in die Welt zu bringen.

Das Gebet des heutigen Tages fasst es zusammen:

Heiliger Gott, du hast deinen Volk Israel geboten, dich und die Nächsten zu lieben. Dein Sohn hat diese Liebe vorgelebt bis zur Vollendung. Gib auch uns die Kraft, dieses Gebot treu zu befolgen, bis wir ans Ziel unseres Lebens gelangen. 

Amen


[1]  Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt. Gedanken zum Thema der 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen, Karlsruhe 2022 (online at: https://www.oikoumene.org/de/resources/publications/reflection-on-the-theme-of-the-11th-assembly).

[2]  Ebd. S. 23.

[3]  Erklärung zur Einheits, ÖRK Vollversammlung Karlsruhe (englische Version: https://www.oikoumene.org/resources/documents/unity-statement-of-the-wcc-11th-assembly), §1.

[4]  Ebd, §20.