2. Sonntag im Jahreskreis – 20. Januar 2019

Predigt in der alt-katholischen Friedenskirche, Essen

Jesaja 62, 1-5
1. Kor 12, 4-11
Johannes 2, 1-11

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Seit sehr lange Zeit wird am zweiten Sonntag nach Epiphanias diese Stelle aus dem Johannesevangelium über die Hochzeit zu Kana gelesen und gepredigt. Es ist wohl so, weil in dieser Geschichte Johannes den Anfang Jesus’ öffentliches Wirken darstellt.  Es werden keine Fischer berufen, sondern Jesus wirkt bei einem menschlichen Fest, bei einem Hochzeitsfest sein erstes Wunder.

Später wurde diese Stelle als göttliche, biblische Bestätigung für die Ehe als Lebensform verstanden.  Im sechszehnten Jahrhundert gibt es lutherischen Predigten über die Geschichte der Hochzeit zu Kana, die zeigen wollen, dass nicht das Mönchtum, sondern die Ehe die von Gott bevorzugten Lebensform sei.  Nicht als Mönch oder Nonne, sondern als Ehepartner, Ehepartnerin könne der Christ, die Christin am besten Gott dienen.

Diese Geschichte wird immer noch sehr häufig bei Trauungen vorgelesen, manchmal – was gar nicht so unkompliziert ist – bei einer zweiten Ehe, die somit bewusst oder unbewusst mit dem besten Wein verglichen wird, der nicht am Anfang, sondern erst später angeboten wird.  Und sie wird auch manchmal – zumindest in der Diskussion in der anglikanischen Kirche – so verstanden, dass Jesus – und somit Gott – durch seine Anwesenheit bei diesem Hochzeitsfest die Ehe ausschließlich zwischen einem Mann und einer Frau, zwischen einem Bräutigam und einer Braut anerkenne.  Dieses Wunder – die Verwandlung von Wasser in Wein – wird dadurch als Bestätigung einer bestimmten Beziehungsform verstanden.

Solche Auslegungen, die die Betonung auf die menschliche Beziehung, auf das Ehepaar legen, übersehen meines Erachtens die Stellung dieser Geschichte im Johannes­evangelium.  Es handelt sich hier um eine metaphorische Darstellung, die das Wirken Jesus als Neuanfang darstellt.  Der Wein, der bisher angeboten wird, bedeutet die Lehre, die Religion, die vor Christus dargeboten wurde, die jüdische Tradition, für Johannes vielleicht sogar auch die griechische.  Sie war gut – es war kein schlechter Wein, der anfangs angeboten wurde.  Aber das, was Jesus nun anbieten kann, übertrifft das alte.  Das Wunder, die Umwandlung deutet also auf einen Neubeginn hin.

Es ist aber auch ein feierlicher Neubeginn.  Der dänische Bischof Elof Westergaard schreibt: „Das Weinwunder in Kana ist ein Mirakel, ein Zeichen für die Macht Jesu und die Kraft Gottes zur Veränderung und Erneuerung. In einem alten dänischen Kirchenlied wird die Verwandlung als ‚erstes Zeichen für das Fest der Freude‘ bezeichnet.“  Das Thema der Freude durchdringt unsere Lesungen heute.  Jesaja verwendet ebenfalls eine Ehemetapher um die Freude Gottes über das zurückgekehrte Israel auszudrücken: „man nennt dich «Meine Wonne» und dein Land «Die Vermählte». Denn der Herr hat an dir seine Freude.“ Auch hier geht es um die Freude, die da ist, wenn zwei Menschen zueinander finden – die Freude des Paares, die Freude ihrer Familien, ihrer Freunde und Freundinnen, ihrer Bekannten. Auch hier dient die Ehe, das Hochzeitsfest eher als Metapher für ein freudiges Ereignis.  Gott freut sich riesig über sein Volk, das zu ihm zurückgekehrt ist: „Man ruft dich mit einem neuen Namen, / den der Mund des Herrn für dich bestimmt. Du wirst zu einer prächtigen Krone / in der Hand des Herrn, zu einem königlichen Diadem / in der Rechten deines Gottes.“  Wie Ragan Sutterfield schreibt, wird hier die Freude Gottes aber auch die Liebe Gottes für sein Volk dargestellt.[1]

Auch im 1. Korintherbrief wird das Leben in und mit Gott feierlich beschrieben: hier wird betont, dass alle begabt sind, alle begnadet werden: „Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen.“  Es geht darum, dass jede und jeder auf eigener Art und Weise in das Mitwirken mit Gott einbezogen wird – und Gott freut sich darüber, dass wir in unserer Grundverschiedenheit dabei sind: „Juden und Griechen, Sklaven und Freie; alle wurden mit dem einen Geist getränkt.“

Die Lesungen heute bringen uns eine wichtige Erinnerung: Gott freut sich über uns, mit uns. Der Glaubensweg wird manchmal hauptsächlich als Kreuzesweg verstanden.  Das ist auch wichtig, denn Gott ist auch bei uns in den schweren Zeiten, in den traurigen Zeiten, in Zeiten der Angst und der Verzweiflung.  Aber Gott lädt uns auch ein zu ein „festliches Leben“, wie Jürgen Moltmann auch betont. Für Moltmann gehört das Festliche zum Wesen des Glaubens:

Der moderne, säkularisierte oder laizistische Europäer fühlt sich nach einem vielzitierten Wort des Religions­soziologen Max Weber »religiös unmusikalisch«.  Er nimmt das Religiöse als Begabung an, die manche haben, viele aber nicht haben und auch nicht entbehren, und verfehlt damit die transzendenten Räume des Lebens. Man kann ohne Musik leben, gewiss, aber mit Musik wird das Leben reicher. Man kann areligiös leben, gewiss, aber mit Religion wird das Leben weiter und festlicher.[2]

Schon im vierten Jahrhundert schrieb Athanasius, Bischof von Alexandrien: „Der auferstandene Christus macht das Leben des Menschen zu einem ununterbrochenen Fest.“[3]

Ein Fest heißt feiern aber nicht chaotisch feiern.  Im Apokryphen Johannesakten wird das Feiern der Glaube mit dem Tanz in Zusammenhang gebracht: „Die Gnade tanzt. Flöten will ich, und ihr sollt alle tanzen.“[4]  Es gibt Tanzgruppen, die ihr Tanz als Gebet erleben, die erfahren, dass Tanzen Himmel und Erde verbindet: „Die Tanzenden fühlen sich eingebunden in ein größeres Ganzes und getragen von einer Gemeinschaft, entwickeln Vertrauen in eine Balance aus Bindung und Freiheit.“[5]  Der Franziskaner Richard Rohr schreibt sogar über die Trinität als „göttlicher Tanz,“ versteht das Wesen Gottes als feierlich, tänzerisch:

Was immer in Gott geschieht, ist ein Durchströmen, ein Ineinanderfließen, eine radikale Verbindung, eine vollkommene Gemeinschaft dreier Wesen – ein Kreistanz der Liebe. Aber Gott ist nicht nur der Tänzer, er ist der Tanz selbst.[6]

Und Gott lädt auch uns ein, in diesen Tanz mitzutanzen:

Wir hören ihn nicht nur aus der Ferne, sondern wir spüren ihn, wenn wir die Hand auf den Boden legen, ebenso wie im Wasser, im zerrissenen Brot und im eingegossenen Wein. Das Gerücht tief in unserer Seele sagt uns, dass eine Feier stattfindet, und wir können kaum glauben, dass wir eingeladen sind. … Kann es sein, dass sich eine Hand zu uns ausstreckt und uns zum göttlichen Tanz auffordert; dass uns jemand ins Ohr flüstert, wir seien seit jeher dafür gemacht?[7]

Im Glauben zu feiern, im Glauben zu tanzen: Dazu werden auch wir eingeladen, dazu sind auch wir begabt.

Amen

[1]   Ragan Sutterfield, The Joy of Not Being in Charge (http://www.ekklesiaproject.org/blog/2010/01/the-joy-of-not-being-in-charge/).

[2]  Jürgen Moltmann, Der lebendige Gott und die Fülle des Lebens. Auch ein Beitrag zur gegenwärtigen Atheismusdebatte, Gütersloh 2014, S. 21.

[3]   Moltmann, Der lebendige Gott und die Fülle des Lebens, S. 192.

[4]   Moltmann, Der lebendige Gott und die Fülle des Lebens, S. 192.

[5]  Siehe https://www.erzdioezese-wien.at/site/nachrichtenmagazin/schwerpunkt/kirchekunst/article/54855.html.

[6]   Richard Rohr, Der göttliche Tanz. Wie uns ein Leben im Einklang mit dem dreieinigen Gott zutiefst verändern kann, S. 19.

[7]   Richard Rohr, Der göttliche Tanz. Wie uns ein Leben im Einklang mit dem dreieinigen Gott zutiefst verändern kann, S. 12-13.